23.01.2015

Eine Industrie wird abgebaut

Dietmar Rath, Partner

Diskussion auf dem Branchentreff:
Vizekanzler Sigmar Gabriel konnte nicht teilnehmen, trotzdem riefen seine Äußerungen und negativen Aussichten, kurz zuvor, bei den Teilnehmern der Handelsblatt Jahrestagung Energiewirtschaft in Berlin im Januar heftige Reaktionen hervor.

Gegenüber dem Handelsblatt hatte Gabriel einen Kapazitätsmarkt für fossile Kraftwerke in Deutschland abgelehnt. Vielleicht nicht ganz überraschend, da Bundeskanzlerin Merkel in der vorigen Woche bereits bei einem Treffen des Bundesverbandes Erneuerbare Energien ihre Vorbehalte ausdrückte. Schnell wurden Vorträge umgeschrieben oder ergänzt, selbstverständlich musste reagiert werden. Johannes Teyssen, der eigentlich angereist war, um den Branchenkollegen die Aufspaltung E.ON's zu erklären, widersprach offen Gabriel. Der Kapazitätsmarkt werde langfristig kommen, prophezeite er – zum Vorteil der Kunden. BDEW-Präsident Johannes Kempmann warf Gabriel Unredlichkeit vor, hatte er doch vor einem Jahr an gleicher Stelle der Branche den Kapazitätsmarkt in Aussicht gestellt. Auch Staatssekretär Baake vermochte, trotz seines Bemühens um Neutralität und einen ergebnisoffenen Grünbuch-Diskussionsprozess, das emotionale Rad während seiner Rede beim Branchentreff nicht zurückzudrehen. Auch die Branchenverbände gestehen zu, dass nur ein Teil der Erzeugungskapazitäten versorgungsrelevant ist, der andere Teil jedoch nicht durch finanzielle Unterstützung am Leben gehalten werden muss. Die weiter zunehmende Substitution von fossilen Kraftwerken durch den Zubau von erneuerbaren Erzeugungskapazitäten wird den Effekt unterstützen.

Was soll jedoch nun mit den Überkapazitäten geschehen?

Die Bilanzen der Versorgungsunternehmen mit fossiler Kraftwerksbeteiligung haben in den letzten Jahren bereits aufgrund von Abschreibungen kräftig geblutet. Unternehmen und deren Gesellschafter kommen bereits seit geraumer Zeit wegen eingeschränkter Ausschüttungs- und Investitionsfähigkeit in neue Geschäftsmodelle oder dem notwendigen Ausgleich mit Verkehrsverlusten zusehends in die Bredouille. Das lange Zeit sicher zu reitende Pferd der Energieversorgung buckelt und verweigert des Öfteren. In Zeiten eines Gleichgewichts treffen Chancen und Risiken in der Betrachtung aufeinander. Viele Kraftwerksbetreiber belastet seit einiger Zeit die Frage was zu tun ist, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Vattenfall verkauft die Braunkohle in der Lausitz, um der politischen Forderung aus Schweden nach einer CO2-Reduktion nachzukommen. "Make Energy Cleaner" ist das Leitmotiv, das noch Øystein Løseth als Vorgänger von Magnus Hall dem Konzern vorgab. Die Branche und die Politik verfolgen gespannt, in welche neuen Hände die Vattenfall-Aktivitäten gelangen. Interessant, aber bei genauerer Betrachtung durchaus nachvollziehbar, ist die Äußerung von Rolf Martin Schmitz, auch den Verkauf von Gaskraftwerken ins Ausland zu prüfen. Sicher denkt nicht nur RWE darüber nach.

Die völlige Demontage einer Industrie als Option?

Mittlerweile ist sie denkbar und greifbar. Die Chancen und Risiken sind halt nicht mehr im Gleichgewicht.