22.08.2017

Karbenn: "Kapitalbedarf von Stadtwerken bleibt hoch"

Köln

In einem unruhigen Marktumfeld wachsen für Energieversorger die Herausforderungen bei der Unternehmensfinanzierung. Über steigende Finanzrisiken und Auswege sprach energate mit Frank Karbenn, Managing Partner der Beratungsgesellschaft HKCF Corporate Finance.

energate: Herr Karbenn, eine Studie hat kürzlich vor steigenden Finanzrisiken bei Versorgungsunternehmen gewarnt. Wie bewerten Sie die finanzielle Perspektive von Stadtwerken?

Karbenn: Dort, wo wir über das energiewirtschaftliche Kerngeschäft sprechen und keine anhaltenden Belastungen aus problematischen Asset-Investments vorliegen, beobachten wir in der jüngeren Vergangenheit erfreuliche Unternehmensergebnisse. Säulen der aktuellen Entwicklung sind eine enge Kundenbindung und stabile Erlöse aus dem reguliertem Netzgeschäft. Unsere auf veröffentlichten Jahresabschlüssen basierenden Rating-Analysen für rund 100 Stadtwerke weisen für die allermeisten Unternehmen ein belastbares "investment grade" aus. Perspektivisch ist diese Situation zu hinterfragen. Der Druck auf die Erlöse aus dem Netzgeschäft ist greifbar, die Erwartungen im Vertriebsgeschäft von Skepsis getrübt und die Ergebnisentwicklung in ohnehin defizitären Geschäftsfeldern bleibt herausfordernd. Hinzu kommt, dass anhaltend hohe Investitionen bei zunehmender Fremdfinanzierung sich in einem steigenden Verschuldungsgrad der Unternehmen widerspiegeln.

energate: Vor welchen Herausforderungen stehen Versorger mit Blick auf die Finanzierung konkret?

Karbenn: Der Kapitalbedarf der Unternehmen bleibt hoch, die Ausschüttungserwartungen der kommunalen Eigentümer aber auch. Die Möglichkeiten der Einwerbung von Fremdkapital zur Finanzierung des Kerngeschäfts sind für Stadtwerke im aktuellenKapitalmarktumfeld grundsätzlich komfortabel. Hier geht es im Wesentlichen um die Optimierung der Finanzierungskonditionen. Zurückhaltender zeigt sich der Bankenmarkt bei der Finanzierung kommunaler Holding-Gesellschaften. Als weitere Herausforderung lässt sich die Verbreiterung des Zugangs zum Kapitalmarkt nennen. Stadtwerke machen schon heute die Erfahrung, dass eingetretene Finanzierungspfade nicht wie selbstverständlich zu nutzen sind. Gründe hierfür liegen in den aufgelaufenen Finanzierungsvolumina bei den Hausbanken, korrespondierend mit einer veränderten Risikoeinschätzung für Versorgungsunternehmen. Der kommunale Hintergrund wird heute sehr viel differenzierter beurteilt.

energate: Mit welchem Vorgehen können die Unternehmen den Herausforderungen begegnen?

Karbenn: Die Kosten- und Prozessoptimierung ist in vielen Unternehmensbereichen eine wiederkehrende Herausforderung. Bei der Einwerbung von Fremdkapital werden Optimierungspotenziale nicht mit gleicher Konsequenz genutzt. Hier eröffnen strukturierte und wettbewerbliche Finanzierungsprozesse Möglichkeiten, die richtigen Instrumente zu identifizieren und die häufig langfristigen Abschreibungszyklen fristenkongruent und optimiert zu finanzieren. Zudem führt die regelmäßige Analyse für die Fremdfinanzierung relevanter Finanzkennzahlen zu Transparenz hinsichtlich der Finanzierungsfähigkeit geplanter Vorhaben. Sie verschafft aber auch wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf die Ausschüttungserwartungen der kommunalen Eigentümer. Schon heute, perspektivisch aber in zunehmendem Maße, wird auch die Ausschüttungspolitik wesentlicher Parameter für die Finanzierungsfähigkeit kommunaler Unternehmen sein.

Die Fragen stellte Rouben Bathke, energate-Redaktion Essen.

Quelle: Energate Messenger